Regelmäßiges Blutzuckermessen sollte entgegen so mancher Expertenmeinungen das Um- und Auf eines jeden Diabetikers sein. Ist ja eigentlich auch logisch, wie sollte man sonst zum Beispiel erfahren können, wie das zuvor genossene Essen vertragen – sprich, verstoffwechselt wurde?
Natürlich ist es wichtig, einmal im Quartal den Langzeitzucker HbA1c zu kontrollieren, aber dieser kann nur einen groben Überblick bieten, denn er sagt schließlich nichts darüber aus, welche einzelnen Blutzuckerwerte wir über die gesamte Periode hatten.
Gerade Diabetiker, die aufgrund Medikamenteneinnahme Unterzuckerungen erleiden können, geraten schnell in Gefahr, die falschen Schlüsse zu ziehen, denn: Ein guter HbA1c bedeutet noch lange keine „gute Blutzuckereinstellung“. Schließlich bietet er uns lediglich das Ergebnis des durchschnittlichen Blutzuckers während der letzten 9-12 Wochen, ähnlich zu verstehen wie in der Mathematik das „arithmetische Mittel“.
Zur Erläuterung: Exemplarisch würde ein eher niedriger Wert von 70 mg/dl und ein erhöhter Blutzucker von 170 mg/dl in Summe ein Mittel von 120 mg/dl ergeben, umgerechnet auf den HbA1c wäre das ein Ergebnis von 6,1% – also absolut zufriedenstellend. Rückschlüsse lässt der HbA1c also eher weniger zu, das häufige Messen, etwa vor dem Essen und 2 Stunden danach (postprandialer Blutzucker) jedoch sehr wohl.
Soviel zur Einstimmung, denn der eigentliche Beweggrund für diesen Artikel ist die durchaus berechtigte Frage einer Blogleserin, die ich ausnahmsweise, inkl. meiner Antwort, an dieser Stelle veröffentlichen möchte: Aber lesen Sie selbst:
Sg. Herr. Berndt!
Wieder einmal interessiert mich ihre Meinung:
Wie kann es sein, dass beim BZ messen die Werte an den einzelnen Fingern verschieden sind???
Bisher habe ich diese Frage schon einigen Menschen (auch beim Pflege-Personal) gestellt – die meisten wissen es nicht, bzw. können es sich nicht erklären!
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Hallo Frau B.,
meiner Meinung nach täuschen Sie sich hier mit Ihrer Annahme, denn es gibt keine „standardisierten“ Unterschiede des Blutzuckers beim Messen in den einzelnen Fingern.
Was es sehr wohl gibt, sind Messungenauigkeiten der einzelnen Blutzuckermessgeräte und außerdem wird das Kapillarblut in den Fingern relativ rasch „ausgetauscht“, so dass es schon nach kurzer Zeit einen anderen Wert ergeben kann. Allerdings auch im gleichen Finger. Messen Sie doch „spaßhalber“ ein paar Mal hintereinander im gleichen Finger. Sie werden sehen, dass das immer zu unterschiedlichen Ergebnissen führen wird. Sie müssten hier also schon den gleichen Blutstropfen verwenden, um diese Möglichkeit auszuschließen. „Erschwerend“ kommt hinzu, dass gerade bei Diabetikern die Blutzuckerwerte innerhalb kurzer Zeit stark schwanken können.
Dazu kommt, dass die verschiedenen Messgeräte alle miteinander nicht exakt messen, da gibt es eine relativ große Schwankungsbreite. Testen Sie doch mal kurz vor einer Blutabnahme selbst Ihren Blutzucker. Sie werden dabei feststellen, dass der Nüchternzucker des Laborwertes von Ihrem selbst ermittelten Wert abweichen wird. Teilweise gar nicht so knapp. Das liegt natürlich auch daran, dass Selbstmessungen immer aus dem Vollblut bestimmt werden, die Werte im Labor jedoch im Blutplasma oder Blutserum.
Lange Rede kurzer Sinn: Es ist wie eine Art „optische Täuschung“. Sie messen hintereinander in verschiedenen Fingern den Blutzucker und erhalten unterschiedliche Werte. Sie meinen, es liegt an den Fingern, in Wahrheit liegt es daran, dass die Messgeräte ungenaue und schwankende Ergebnisse liefern und es bei mehrmaligem Messen innerhalb kurzer Zeitabschnitte schon mal zu Differenzen von bis zu 16 mg/dl kommen kann.