In der Ausgabe der österreichischen Tageszeitung KURIER vom 16.11.2018 wird unter anderem darüber berichtet, dass Diabetiker mittels einer Änderung des Lebensstils wieder an gesunde Blutzuckerwerte herankommen können. Auch wenn ich selbst in dem Artikel mit dem Hinweis zitiert werde, dass ich ungesunde Kohlenhydrate wie Weizen und Zucker komplett meide, kann ich mir doch die eine oder andere kritische Anmerkung zum Inhalt nicht verkneifen. Vor allem in Hinblick darauf, dass unreflektierte Äußerungen in Bezug auf eine Low Carb Ernährungsweise getätigt werden. Und eine diesbezügliche Studie einseitig interpretiert wird.
In dem Bericht ist streckenweise so einiges zu hinterfragen, ich möchte aber an dieser Stelle nur auf die gravierendsten „Irrlichter“ eingehen. So meint zum Beispiel ein bekannter Wiener Internist sinngemäß, dass es zwar unbestritten ist, dass „je weniger Kohlenhydrate man zu sich nimmt, desto niedriger sind die Zuckerwerte“, relativiert diese Aussage jedoch zugleich wieder, indem er auf die angeblichen Risken einer Low Carb Ernährung hinweist. Der Mediziner beruft sich dabei auf Studien, nach denen eine Low-Carb-Ernährung zu einem früheren Tod und mehr Herzinfarkten führen soll. Der Kontext: Wer sich Low Carb ernährt, der isst – so die Mutmaßung – automatisch vermehrt rotes Fleisch und ungesunde Fette.
Also abgesehen von der Tatsache, dass das Cholesterin aus der Nahrung bekanntlich für den Cholesterinspiegel (Stichwort Herzinfarkte) wenig Relevanz hat, wissen wir heute, dass, als wir begannen, anstatt Butter mehr Margarine zu konsumieren, die Anzahl an Herzkranken und Diabetikern sogar anstieg. Die zitierte „Reihe an epidemiologischen Studien“ konnte in Wahrheit laut den Forschern um Christopher E. Ramsden vom US-amerikanischen National Institute of Health „noch nie nachgewiesen werden, obwohl seit über 50 Jahren zwischen den „guten“ und „bösen“ Fetten unterschieden wird“ (Quelle: https://science.orf.at/stories/2768209/).
Doch zurück zur recht wagemutigen Behauptung, dass man im Zuge einer Low Carb Ernährung automatisch zu rotem Fleisch und „ungesunden Fetten“ (welche auch immer das sein sollen…) greift. Ich für meinen Teil kann das ganz und gar nicht bestätigen und all die vielen Diabetiker, die mir im Laufe der letzten Jahre begegnet sind, ganz bestimmt auch nicht. Wir sparen UNGESUNDE Kohlenhydrate ein und ersetzten diese mit GESUNDEN Fetten und GESUNDEM Eiweiß. Ich bin mir in diesem Zusammenhang auch nicht ganz sicher, ob den im zitierten Artikel interviewten Spezialisten überhaupt bewusst ist, dass der Mensch ohne Kohlenhydrate theoretisch überleben kann, ohne Fett und Eiweiß jedoch nicht.
Wenn man übrigens der zugrundeliegenden, epidemiologischen ARIC-Studie näher auf den Grund geht, stellt man rasch fest, „dass das Sterberisiko im Zuge einer Low-Carb-Ernährung im Vergleich nur dann erhöht ist, wenn die Kohlenhydrate überwiegend durch viel Fleisch ersetzt wurden“. Und weiter: „Bevorzugten die Probanden stattdessen Lebensmittel mit hohem Anteil an pflanzlichen Fetten und Proteinen wie Nüsse, Schokolade oder Vollkornbrot, war ihr Sterberisiko geringer. Alternativ scheine es – wenn der Kohlenhydratanteil gesenkt wird – für ein gesundes Altern womöglich förderlich zu sein, Kohlenhydrate durch pflanzliche Fette und Proteine zu ersetzen“. Auch interessant: „Aus der festgestellten Assoziation von Kohlenhydraten mit der Sterberate sei zudem keine Kausalität abzuleiten.“ Sogar die Autoren der Studie selbst sehen die relativ geringe Anzahl an Low-Carb-Teilnehmern in der Studie als Problem an und müssen in Bezug auf eine weltweite Aussagekraft Einschränkungen zugeben. (Quelle: https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/adipositas/article/969649/studie-erhoehte-sterblichkeit-durch-low-carb-diaet.html).
Eine Low Carb Ernährung zieht meiner Ansicht nach ganz bestimmt keinen Anstieg an Diabetikern nach sich. Low Carb bedeutet schließlich ganz und gar nicht, dass man nun den ganzen Tag rotes Tierfleisch isst. Wie kommt man nur auf so einen Blödsinn?
Low Carb bedeutet in erster Linie, dass man den überbordenden Kohlenhydratkonsum einschränkt. Zugunsten seiner eigenen Gesundheit wohlgemerkt, denn leider nimmt ein überwiegender Anteil der „Kohlenhydratjunkies“ unserer Zeit diese vor allem in Form von Auszugsmehlen und Zucker zu sich. Und dass diese Substanzen dick und krank machen, daran zweifelt mittlerweile hoffentlich niemand mehr.
Wer sich übrigens zum Thema Low Carb seriös informieren möchte, dem sei dieser Artikel hier ans Herz gelegt: https://www.primal-state.de/low-carb-diaet/.
Ein weiterer, erschreckender Passus im KURIER Artikel ist folgender: „Ob man aufgrund einer Änderung des Lebensstils die guten Blutzuckerwerte behalten kann, bestreiten Mediziner nach dem derzeitigen Wissenstand, gilt Diabetes doch nach wie vor als fortschreitende Erkrankung“. Na so etwas, da stellt sich doch die Frage, was denn eigentlich der „derzeitige Wissensstand“ dieser Mediziner ist? Offensichtlich ein nicht ganz aktueller, da ist zum Beispiel der Diabetologe Professor Stephan Martin gänzlich anderer Meinung und ist sich sicher: Diabetes ist heilbar! Der Mediziner führte selbst eine Studie durch, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie wurden – man höre und staune – auf eine Low-Carb-Ernährung umgestellt. (Quelle: https://www.mdr.de/hauptsache-gesund/hg-ist-diabetes-heilbar-100.html.
Dass Diabetes Typ-2 heilbar ist, und zwar ohne Medikamente, ist längst kein Geheimnis mehr, man sollte jedoch vor allem als Mediziner die „Muße“ haben, sich mit dem Thema nicht nur einseitig zu beschäftigen. Denn die oben erwähnte „fortschreitende Erkrankung“ ist nur dann fortschreitend, so lange man den medikamentösen Weg beibehält.
Besonders spannend erscheint in diesem Zusammenhang ein Bericht mit der Überschrift „Lancet publizierte Studie bestätigt langjähriges Erfahrungswissen nun auch mit methodisch hochwertigen Daten“: Diabetes mellitus Typ-2 muss kein lebenslanges Schicksal sein, sondern eine Heilung ist möglich – und zwar ohne Operation, ohne Insulin und ohne Antidiabetika.
Besonders gut gefallen mir die Aussagen „Einmal Diabetes – immer Diabetes? Falsch.“ Und: „Kehrtwende der Diabetes-Therapie überfällig“.
Nachzulesen hier: http://www.ernaehrungsmedizin.blog/2017/12/08/typ-2-diabetes-ist-heilbar-voellig-ohne-medikamente/
Fazit: Würden sich so manche Spezialisten die Mühe machen und entweder ordentlich recherchieren, oder – noch besser – eine eigene haltbare Expertise aufbauen, anstatt fragwürdige Studien unreflektiert wiederzugeben, dann würden viel mehr Patientinnen und Patienten den erfolgsversprechenden Weg einer Lifestyle-Therapie gehen. Und diese basiert optimalerweise auf einer Low-Carb-Ernährung, da führt meiner Meinung nach kein Weg vorbei.
Diese erhöht natürlich weder das Diabetes- noch das Sterberisiko. Solange man sie korrekt durchführt. Denn die Annahme, dass man automatisch Kohlenhydrate mit rotem Fleisch eintauscht, ist ungefähr so sinnentleert wie anzunehmen, dass jemand, der mit dem Rauchen aufhört, nun beginnt Drogen einzunehmen. Und deshalb das eigene Sterberisiko erhöht hat…
Fernsehtipp: Am 24.11.2018 wird ab 17 Uhr 05 in ORF 2 die Sendung „bewusst gesund“ ausgestrahlt. Einer der Beiträge lautet „tolerante Kekse“ und dabei kann man mir über die Schulter schauen, wie ich im Studio vor laufender Kamera die „etwas anderen Kekse“ backe…:=)
WIE IMMER: geiler artikel !!