Seit über 4 Jahren beschäftige ich mich nun nahezu rund um die Uhr mit Diabetes Typ-2 und dessen erfolgreicher Bekämpfung. Einen nicht unwesentlichen Punkt habe ich jedoch nur am Rande thematisiert, und das lag in erster Linie daran, dass mich das Thema persönlich wenig tangiert hat. Die Rede ist von Alkohol und dessen Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel. Also machte ich mich auf, um einen der letzten weißen Flecken auf meiner „Diabetes-Landkarte“ zu erforschen…
Kaum ein anderes Thema polarisiert so sehr wie der liebe Alkohol! Viele Jahre war ich ihm durchaus nicht abgeneigt und habe als typischer „Gesellschaftstrinker“ ab und zu auch mal ein Glas zu viel erwischt. Als ich im Oktober 2011 jedoch meine letzte Zigarette ausdämpfte, entwickelte ich gleichzeitig eine regelrechte Abneigung gegenüber dem Alkohol. Er schmeckte mir ganz einfach nicht mehr und ich trank nie wieder einen einzigen Schluck. Aus diesem Grund habe ich mich auch nicht näher mit den Auswirkungen von Alkohol in Bezug auf Diabetes und den Blutzuckerspiegel befasst.
Doch gerade in letzter Zeit wurde ich immer wieder nach meiner diesbezüglichen Expertise gefragt, und auch mich selbst ließ die Frage nicht mehr los: Was steckt wirklich dahinter, schadet Alkohol bei Diabetes Typ-2, oder kann er gar von Nutzen sein? Und was geschieht mit dem Blutzucker, nachdem man alkoholische Getränke zu sich nahm?
Wie so oft gilt es gerade bei dieser heiklen Frage streng zu differenzieren! So macht es zum Beispiel einen Riesenunterschied aus, ob ich mir ein gepflegtes Bierchen genehmige, oder ein Gläschen trockenen Rotwein. Und auch ein „Stamperl“ Gin wäre so gesehen bedeutend empfehlenswerter, als ein süßer Likör.
Ich lasse mal die Tatsache unberücksichtigt, dass Alkohol natürlich jede Menge an überflüssigen Kalorien mit sich bringt und diese aufgrund der Gefahr einer Gewichtszunahme prinzipiell zu vermeiden sind. Und auch die wohl jedermann bekannte Tatsache, dass übermäßiger Alkoholkonsum die Leber schädigt, soll nicht Hauptfokus dieses Artikels sein. Wie eingangs erwähnt, möchte ich mich primär auf die Auswirkungen des Alkohols auf den Blutzuckerspiegel konzentrieren und darf gleich zu Beginn die folgenschwere Feststellung treffen, dass Alkoholkonsum den Blutzucker senkt!
Zwar nicht unmittelbar danach, denn vorerst steigt der Zucker einmal kurzfristig an. Doch auch dieser Anstieg hält sich in Grenzen, solange man alkoholische Getränke wählt, deren Kohlenhydratanteil so gering wie möglich ist. Es sind also einmal mehr die „bösen“ Kohlenhydrate, die einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Blutzuckerspiegels nehmen.
:idea: Mittelfristig senkt Alkohol den Blutzucker und das liegt daran, dass er die Glukoseproduktion in der Leber hemmt und die Fettverbrennung pro alkoholischem Getränkt im Schnitt um 2 Stunden blockiert wird.
Doch was passiert genau?
Oberste Priorität unseres Körpers ist, den zu sich genommenen Alkohol abzubauen. Erst danach wendet er sich den weiteren Stoffwechselvorgängen zu. Und umso mehr Alkohol man trinkt, desto intensiver und auch länger ist der Stoffwechselprozess in der Leber gehemmt. Das liegt daran, dass Alkohol nicht gespeichert werden kann und in der Leber, nach Aufbrechen der Alkoholmoleküle in Acetaldehyd, zu giftigem Acetat umgewandelt wird. Dieses möchte unser „schlauer“ Körper rasch wieder loswerden. Die Leber kann also, während sie mit dem Alkoholabbau beschäftigt ist, den Zucker nur noch vermindert/verzögert ins Blut abgeben. Somit gelangt nicht mehr ausreichend Glukose in unser Blut, der Blutzuckerspiegel fällt ab. Es kann mitunter vorkommen, dass die Leber bis zu 2 ganze Tage (!) nach dem Alkoholkonsum noch mit der Verstoffwechslung beschäftigt ist!
Wer es ganz genau wissen möchte
Der soeben beschriebene Vorgang geschieht „auf Kosten“ unseres Glukosespeichers Glykogen, welches in der Leber gespalten wird und normalerweise als Glukose (Traubenzucker) abgegeben wird. Die Leber speichert nämlich die Glukose aus der Nahrung als Glykogen. Der Abbau von Glykogen durch die Hormone Adrenalin und Glukagon lässt den Blutzuckerspiegel ansteigen, Insulin forciert den Glykogen-Aufbau und reduziert den Blutzuckerspiegel.
Glukagon wird auch als Gegenspieler des Insulins bezeichnet, da es eben den Blutzuckeranstieg fördert, während Insulin dafür verantwortlich ist, dass der Blutzucker sinkt. Beide stammen aus den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse, wobei Glukagon eines der wichtigsten blutzuckersteigernden (diabetogenen) Hormone ist. Wie bereits beschrieben bewirkt es, dass Glukose aus den Glykogenspeichern freigesetzt wird und der Blutzucker ansteigt.
:arrow: Ist die Leber jedoch gerade mit dem Abbau von Alkohol beschäftigt, kann keine Glukose freigegeben werden, der Zuckerspiegel sinkt!
Zusammenfassend
- Alkoholkonsum lässt den Blutzucker kurzfristig ansteigen, um danach auf ein teilweise niedrigeres Niveau herabzufallen als zuvor. Das ist darin begründet, dass die Leber mit dem Alkoholabbau beschäftigt ist und währenddessen nur vermindert Zucker produziert – der Blutzuckerspiegel sinkt. Dieser Vorgang hält solange an, bis der Alkohol vollständig abgebaut ist.
- Wenn wir alkoholische Getränke mit niedrigem Kohlenhydratanteil wählen, fällt auch der kurzfristige Blutzuckeranstieg in Maßen aus.
- Diabetiker, die unterzuckerungsverursachende Medikamente einnehmen, geraten bei Alkoholkonsum in Gefahr, einen Hypo zu erleiden – also Vorsicht!
- Bei jenen, die wie ich, keinerlei Diabetes-Medikamente benötigen, spricht überhaupt nichts dagegen, ab und zu ein „lustiges Festerl“ zu feiern. Dem Blutzucker wird es auf jeden Fall nicht schaden, allerdings würde ich anraten, auf den Kohlenhydratanteil zu achten und zum Beispiel einem Glas trockenen Rotwein im Vergleich zu einem Bier den Vorzug zu geben, denn
- Bier ist meines Wissens nach die einzige Ausnahme bei folgender „Faustregel“, die sich jeder merken sollte: Je süßer das Getränk, desto mehr Kohlenhydrate beinhaltet es!
Es gibt übrigens auch komplett kohlenhydratfreie alkoholische Getränke, so sind zum Teil in klaren Schnäpsen, wie Wodka, Rum oder Tequila, kaum bis überhaupt keine Kohlenhydrate enthalten, während es im Vergleich dazu der Eierlikör auf stattliche 28g/100g KH bringt!
Das ist natürlich kein Freibrief zu fröhlichen Saufgelagen, aber völlige Abstinenz ist vor allem für „Lifestyle Diabetiker“ absolut nicht notwendig! Ein Grund mehr, es mir gleichzumachen und auf Medikamente in Zukunft eventuell völlig verzichten zu können?? Dann besuchen Sie doch einen meiner Workshops oder buchen gleich einen der neuen Diabetes Ade-Urlaube!
Mir ist schon früh in meiner Diabetikerkarriere aufgefallen, dass trockener Rotwein den Blutzuckerspiegel senkt. Inzwischen gehören ein Achtel oder zwei fast schon zu meinen täglichen genüssen. So ganz hatte ich es nicht verstanden. Vielen Dank also für die Erklärung!
Gerne, die Erklärung ist ja auch zugebenermaßen nicht ganz so simpel. Ich musste mich selbst auch ein wenig damit auseinandersetzen:=)
Auf Alkohol kann ich ganz leicht verzichten, war nie ein Thema bei mir. Bei feiern genehmige ich mir manchmal ein gläschen sekt oder einen sommerspritzer und das ganz ohne schlechtes gewissen, da eher selten.