Nun ist es also wieder einmal in den Fokus gerückt, diesmal begleitet von eher negativen Schlagzeilen – das Kokosöl. „Schuld“ daran ist vor allem der Vortrag einer Medizinjournalistin namens Michels. Deren kritische Betrachtungsweise nahmen als Reaktion zahlreiche Medien unreflektiert auf, um daraus populistische Schlagzeilen zu produzieren und gleichzeitig Scharen von Konsument*Innen zu verunsichern.
Grund genug für mich, der Sache fundiert auf den Grund zu gehen und den „Angriff“ auf das auch von mir gerne verwendete Kokosöl faktenbasiert zu durchleuchten.
Zu den Fakten
Hauptangriffspunkt besagter Michels ist die Tatsache, dass Kokosöl viel gesättigte Fettsäure enthält, ein Großteil davon sind jedoch mittelkettige Fettsäuren (MCFAs – Medium Chain Fatty Acids). Diese bestehen primär – zu fast 50% – aus Laurinsäure (dem Monoglycerid der Laurinsäure werden unter anderem antibakterielle und antivirale Wirkungen zugeschrieben) sowie aus Capryl- und Caprinsäure.
Info: Mittelkettige Fettsäuren werden vom Körper anders verstoffwechselt als herkömmliche, langkettige gesättigte Fettsäuren.
Meinung versus Evidenz
Wenn man sich den Vortrag von Prof Michels mit dem Namen „Kokosöl ist das reine Gift“ näher anhört, kann man sich dem Eindruck schwer entziehen, dass ihre Behauptungen eher ihre persönliche Meinung darstellen, als auf wissenschaftlichen Tatsachen basieren. Ich habe keine einzige Studienquelle aus Ihrem Vortrag entnehmen können, welche ihre Behauptungen untermauert, WARUM denn Kokosöl ungesund sein soll.
Stimmt, Kokosöl besteht primär aus gesättigten Fettsäuren (siehe oben). Ja, und?
Die Mär vom „bösen“ Fett
Es dürfte Frau Prof. Michels generell entgangen sein, dass das jahrzehntelang gepredigte Dogma vom bösen gesättigten Fett längst differenzierter betrachtet und analysiert wird. Einfach allgemein zu behaupten, dass gesättigte Fettsäuren böse und schlecht sind, ist schlicht und ergreifend evidenzbefreiter Unsinn.
Doch die Lebensmittelindustrie freute sich schon vor Jahrzehnten über solche Aussagen, schließlich konnten so fette Gewinne gemacht werden. Und wir Konsumenten mit massenhaft billigsten Produkten versorgt werden, die vor Transfetten nur so trieften – im wahrsten Sinne des Wortes. Margarine statt Butter? Was für ein fataler Fehler und ernährungsphysiologisches Eigentor!
Und was meinst der Experte dazu?
Sogar der ehemalige Präsident der World Heart Federation Dr. Yusuf Salim ging in seiner Eröffnungsrede der größten Kardiologie-Konferenz der Welt in Davos (im Frühjahr 2017) darauf ein, dass wir einer jahrzehntelangen Täuschung aufgesessen sind. Und dass die derzeit geltenden Ernährungsempfehlungen, vor allem in Bezug auf gesättigte Fettsäuren und Kohlenhydrate falsch sind! (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=RwGteseHyas).
Die Gefahr in Form von Pommes
Als besonders schlimm seien in diesem Zusammenhang abermals die Transfettsäuren genannt, welche primär in Margarine, Backfetten und mit diesen Fetten hergestellten Produkten produziert werden. Dazu gehören beispielsweise Fertiggerichte, Junk- & Fastfood, Kekse, Plundergebäck, Burger und Pommes Frittes. Es gilt als erwiesen, dass besagte Transfettsäuren das Risiko für koronare Herzerkrankungen und Herztod erhöhen.
Auf ein Wort, Frau Professor!
Als überhaupt nicht erwiesen gilt jedoch ein solcher Zusammenhang mit Kokosöl, was die Rede von Prof. Michels erneut ad absurdum führt. Die Dame behauptet zudem, dass es „nicht eine einzige Studie am Menschen gibt, die irgendeine positive Wirkung von Kokosöl zeigt“. Naja, da hätte sie wohl besser gründlich recherchieren sollen, denn da gibt es einige.
Zu dem Schluss, dass gesättigte Fette gar nicht für Arteriosklerose verantwortlich sind, kam schon 2017 ein Expertenteam von Kardiologen, die ihre Ansicht auch im renommierten British Journal of Sports Medicine (Ausgabe vom 1.4.2017). veröffentlichten. (Quelle: https://bjsm.bmj.com/content/51/15/1111).
Und zur Schlussfolgerung, dass ein „Wechsel“ von gesättigten Fettsäuren auf ungesättigte Fettsäuren in Bezug auf koronare Herzerkrankungen wenig bringt, kommt 2014 ein Forscherteam aus Österreich. (Quelle: https://bmjopen.bmj.com/content/4/4/e004487.full)
Doch zurück zum Kokosöl und der irrigen Annahme, dass es keine Studien betreffend der positiven Wirkungen von Kokosöl am Menschen gibt. Was ist beispielsweise mit der Behauptung, dass die Verwendung von nativem Kokosöl positive Auswirkungen auf die Blutlipide hätte? Und siehe da, Kokosöl hat im Vergleich zu gehärteten Pflanzenfetten eine geringere Wirkung auf das „schlechte“ LDL- sowie das Gesamtcholesterin. (Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/7595099/)
Doch Kokosöl beeinflusst dafür vielmehr das gute HDL Cholesterin positiv, wie eine Studie aus Großbritannien zeigt. (Quelle: https://bmjopen.bmj.com/content/8/3/e020167).
Mein ganz persönliches Fazit
Solange man beim Kauf darauf achtet, kalt gepresstes, natives Kokosöl zu wählen (keinesfalls zu einem chemisch gehärteten Produkt greifen), kann man beruhigt davon ausgehen, dass Kokosöl ein gesundes Öl mit wertvollen gesättigten mittelkettigen Fettsäuren ist. Es hält lange satt, kurbelt den Stoffwechsel an und kann sogar die Reduktion von Bauchfett unterstützen (Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19437058/).
Letztlich geht es meiner Ansicht nach jedoch gar nicht so sehr darum, wie gesund Kokosöl ist, sondern eher, dass es keinesfalls ungesund ist. Es ist einerseits zum Backen eine bessere Alternative zu einigen in der Küche gerne verwendeten Omega-6 Pflanzenölen. Und anderseits bietet sich Kokosöl auch zum Braten von Speisen sehr gut an, da es sehr hitzebeständig ist. Es ist nicht in der Lage zu oxidieren und wird deshalb zu den sicheren Fetten gezählt.
Ob Frau Prof. Michels davon schon gehört hat…?