Die österreichische Diabetesgesellschaft (ÖDG) startete am 2.11.2014 unter dem Namen „Face Diabetes“ einen etwas eigenartig anmutenden Aufklärungsspot zum Thema Unterzuckerungsgefahr bei Diabetes (siehe dazu auch: http://mobil.woman.at/a/aufklaerungsspot-diabetes-dirk-stermann,
oder im KURIER mit der Titel „Zucker kann Leben retten“: http://kurier.at/lebensart/gesundheit/dirk-stermann-warnt-in-tv-spot-vor-unterzuckerung-bei-diabetes/93.430.299
Als stetiger Mahner eines weit überhöhten Zuckerkonsums in unserer Gesellschaft komme ich nicht umhin, kritisch Stellung zu dieser Kampagne zu beziehen, da einmal mehr der „eifrige“ Mitverursacher der ZUCKERkrankheit verharmlost wird. Anstatt primär über Ursachen für Hypoglykämie und etwaiges Abwenden dieser Gefahr zu diskutieren, verwirrt der Spot unter der Mitwirkung von Dirk Stermann (Willkommen Österreich) eher, als dass er aufklärt.
Fakt ist, dass Unterzuckerung (Blutzuckerwerte unter 40 bis 50 mg/dl bzw. 2,8 bis 3,3 mmol/l) ein ernsthaftes Thema für Diabetiker darstellt. Allerdings in erster Linie bei Denjenigen, die Insulin spritzen müssen, oder Tabletten einnehmen, die eine Unterzuckerung überhaupt erst verursachen können.
Wie man weiß, pumpt Langzeitinsulin im Körper immer weiter Zucker aus dem Blut, mitunter bis weit unter die Grenzwerte. Der Diabetiker kann ins Koma fallen und theoretisch daran auch sterben. Besonders gefährlich ist ein Hypo übrigens speziell in der Nacht, da man ihn im Schlaf oft nicht rechtzeitig bemerkt. Wie soll da also ein „Zuckerl“ helfen? Wäre es in Absprache mit dem behandelnden Arzt eventuell nicht sinnvoller, die Insulindosis zu reduzieren, und dem Problem auf diese Art proaktiv entgegenzuwirken?
Ein Vorstandsmitglied der ÖDG rät Diabetikern übrigens in einem Statement (Kurier) dazu, „stets ein Stück Traubenzucker bei sich zu haben“, ohne dabei zu differenzieren und zu erwähnen, dass das nur „hypogefährdete Diabetiker „betrifft, also die Minderheit.
Zu hinterfragen ist dieser Spot in allenfalls, da er Diabetikern auf subtile Art & Weise ein positives Image von Zucker & Co. vermittelt, anstatt vor übermäßigem Zuckerkonsum zu warnen. Dabei vermutet man bereits seit langem eine direkte Beziehung zwischen Diabetessterblichkeit und Zuckerkonsum. Siehe in diesem Zusammenhang auch den Blogartikel zum Thema von Mag. Julia Tulipan: http://www.leichtergesundleben.at/zucker-fuer-diabetiker-ernsthaft/
Selbstverständlich sollte jeder unterzuckerungsgefährdete Diabetiker immer Traubenzucker bei sich haben, vor allem bei sportlichen Aktivitäten. Dieses Wissen ist bei den Betroffenen längst verankert und versteht sich als Notfallmaßnahme im Ernstfall. Wie bereits erwähnt, wäre es allerdings weitaus interessanter gewesen, in diesem Beitrag die Ursachen von Unterzuckerung und dessen mögliche Vermeidung aufzuzeigen.
Zugegebenermaßen etwas überspitzt, aber: Eignet sich eine Tabaktrafik als Drehort dazu, Raucher auf die gefährlichen Folgen von Zigarettenkonsum aufmerksam zu machen?
In etwa 90% aller Diabetiker sind vom Typ 2 betroffen, „nur“ ca. 10% haben Diabetes Typ 1 und können genetisch bedingt kein eigenes Insulin bilden. Dieser Typ Diabetes entsteht meist in der frühen Kindheit/Jugend, ist von Hypoglykämie am stärksten betroffen, und muss von Beginn an Kunstinsulin spritzen. Typ 1 Patienten bekommen schon sehr früh intensive Schulungen, und lernen bereits von Anfang an sehr professionell mit dieser Krankheit umzugehen. Sie wissen, dass sie beim Sport und anderen kritischen Situationen auf eine plötzlich auftretende Unterzuckerung zügig mit rasch verfügbaren Kohlenhydraten (zB Traubenzucker) reagieren müssen. Diabetiker Typ 1 sind aus diesem Grund zum Glück nicht auf solcherart „Aufklärungsspot“ angewiesen.
Ganz anders stellt sich die Situation beim Diabetiker Typ 2 dar. Diese Form von Diabetes ist mittlerweile vom ursprünglichen „Altersdiabetes“ zur lebensstilbedingten Form mutiert, und betrifft immer jüngere und auch schlankere Menschen. Grund dafür sind primär Bewegungsmangel und FALSCHE ERNÄHRUNG. Ganz oben auf der „falschen Ernährungsskala“ steht – man ahnt es schon – der Zucker und mit ihm der Schokoladen- und Zuckerlkonsum. Weltweit kann man es in der täglichen Berichterstattung nachlesen, unzählige wissenschaftliche Studien haben es nachgewiesen, einige Länder führen bereits Steuern auf Zucker ein – fast jeder weiß mittlerweile: Zucker ist einer der Hauptverantwortlichen für Adipositas, und sowohl auf direktem, wie auch indirektem Weg für DIABETES TYP 2.
Ob es da sehr hilfreich ist, in einem Zuckerlgeschäft Diabetesaufklärung zu betreiben?
Unabhängig davon zur Erinnerung: Nicht unterzuckerungsgefährdete Menschen brauchen rein gar keinen Zucker, um in Schwung zu kommen. Unser Gehirn und andere Organe benötigen zwar Glucose, auch Traubenzucker genannt, um gut funktionieren zu können. Aber die kann unser Körper aus vielen Nahrungsmitteln selbst produzieren, zum Beispiel aus Brot, Kartoffeln oder Getreide. Zucker gehört also nicht zu den Grundnahrungsmitteln.“